Warum die Faszien lange Zeit ein derartiges Schattendasein führten, ist eigentlich unverständlich. Mittlerweile hat die Sportmedizin die Wichtigkeit der Faszien für beschwerdefreie Bewegungen und die Leistungsfähigkeit im Training entdeckt.
Alles, was du über das Faszien-Training wissen musst, und wie du dein fasziales Gewebe gut pflegst, erfährst du in diesem ausführlichen Ratgeber.
Was genau sind Faszien?
Faszien – Ein Wort wie das Passive Abseits. Jeder hat davon gehört, aber niemand weiß so ganz genau, was es damit auf sich hat. Aber davon abgesehen, dass du selbst eine geballte Ladung Faszien in dir trägst, hast du sie auch schon mit eigenen Augen gesehen.
Faszien sind das weiße, faserige Gewebe, das lose an jedem Stück Frischfleisch klebt. Die Faszien durchziehen unseren gesamten Körper wie ein strukturgebendes Korsett. Faszien umgeben jeden Muskel und bilden die Grenze zwischen einzelnen Bündeln.
Anders gesagt: Im Prinzip verfügt der Mensch über lediglich einen großen Muskel – allein die Unterteilung durch die Faszien erzeugt die Illusion verschiedener Muskelgruppen. Eine Aha-Erkenntnis, nicht wahr?
Das fasziale Bindegewebe besteht zu einem großen Prozentsatz aus Kollagen, ein sehr stabiles Strukturprotein, das sich in allen menschlichen Gewebearten einschließlich der Knochen und Knorpel wiederfindet.
Faszien enthalten außerdem elastisches, bewegliches Zellmaterial wie z.B. Fibroblasten, die indifferenter Natur sind und sich je nach Bedarf in verschiedene Zellen verwandeln können.
Das bedeutet: Wer seine Faszien nicht gut behandelt, kann seine gesamte Körperhaltung und Beweglichkeit negativ beeinflussen – hierzu später mehr.
Die Funktionen der Faszien
Die Frage nach der Funktion der Faszien ist kniffelig zu beantworten, denn das Gewebe ist so allgegenwärtig, dass es an fast jedem Vorgang im Körper mitwirkt.
Zu den Hauptaufgaben des Gewebes zählen die Folgenden:
- Die Stützfunktion
Das fasziale Gewebe durchzieht den gesamten Körper wie ein enges Netz ohne Anfang und Ende. Ohne unsere Faszien wäre weder eine aufrechte Haltung noch irgendeine Art der Bewegung möglich. - Die Separationsfunktion
Faszien trennen einzelne Gewebe voneinander. Beispielsweise ummanteln sie Muskelbündel und sind somit der eigentliche Grund, warum wir von „Muskelgruppen“ als solche sprechen. Sie liegen außerdem als separierende Schicht zwischen Haut und Fettgewebe, rund um Gelenkkapseln, Nerven, Lymphen… - Die energetische Funktion
Das Fasziengewebe steht ständig unter Dehnspannung und kann kinetische Energie aufnehmen, speichern und wieder abgeben, vergleichbar mit einem Gummiband. Geschmeidige Faszien sind für kraftvolle, effiziente Bewegungen entsprechend wichtig. - Die nervliche Funktion
Dem Fasziengewebe wird bisweilen auch der Titel „Größtes Sinnesorgan des Menschen“ zugesprochen, und damit der Haut aberkannt. Nicht ohne Grund: Das Faszien- und das Nerven-Netz des Körpers sind fließend miteinander verwoben. Insbesondere Mechanorezeptoren, also Nerven, die auf Berührungen ansprechen, sind im faszialen Gewebe reichlich vorhanden.
Die Faszien bilden aber auch eine Brücke zu den tieferliegenden, autonomen Nervenenden, die für unwillkürliche Muskelkontraktionen wie z.B. den Herzschlag zuständig sind, oder Tiefenschmerzen, z.B. durch Entzündungen oder Muskelrisse, auslösen.
Faszien sind direkt mit dem Zentralnervensystem verbunden und es gibt Wechselwirkungen: Verhärtete Faszien sorgen dafür, dass wir uns angespannt fühlen, umgekehrt können mentale Anspannung und Stress zu verhärteten Faszien führen.
Der Einfluss des Bindegewebes auf unser Empfinden ist sehr komplex und erst in den letzten Jahren zum Gegenstand ernsthafter Forschung geworden. Faszien, so nimmt man heute an, verschaffen uns gar einen „6. Sinn“ – gemeint ist die Wahrnehmung von Körperposition und –bewegung. Sie spielen somit eine wichtige Rolle bezüglich unserer (Grob- und Fein-)Motorik.
Wie wir unseren Faszien schaden – und was es zur Folge hat
Der Alltag der meisten Menschen findet im Sitzen statt. Beim Arbeiten, Essen oder Fernsehen begeben wir uns täglich mehrere Stunden in eine Position, die unsere Anatomie eigentlich nicht vorsieht. Wer zudem keinerlei Ausgleich durch regelmäßigen Sport schafft, verdammt seinen Körper zur Bewegungslosigkeit – das nehmen uns die Faszien übel.
Aufgrund ihrer materiellen Zusammensetzung neigen Faszien zum Austrocknen und Verhärten. Werden wichtige Körperflüssigkeiten wie Blut, Gelenkflüssigkeit und Lymphen nicht durch Bewegung in allen Geweben verteilt, beschleunigt sich dieser Prozess.
Auch die Fibroblasten, denen quasi die Entscheidung offen steht, in welche Zellen sie sich verwandeln, wählen dann häufig den Übergang in feste Gewebsarten. Aber auch wer es gut meint und sich häufig sportlich betätigt, kann Schaden anrichten.
Zu intensives oder einseitiges Training kann ebenfalls zu Verklebungen, Verhärtungen oder gar Beschädigung des Fasziengewebes führen.
Praktisch jede Sportart belastet eine Körperpartie stärker als die anderen, und wird dies nicht durch Assistenzübungen innerhalb der Trainingsroutine ausgeglichen, kommt es schnell zu Dysbalancen und Problemen mit den Faszien.
So vielfältig die Funktionsweise der Faszien, so vielschichtig die Nachteile, sie sich aus ihrer Versteifung ergeben. Das aus Sportlersicht wohl schwerwiegendste Problem: verhärtete Faszien reduzieren den Bewegungsumfang der Gelenke und verhindern, dass sich der Körper in die optimale Position begeben kann. Dies schmälert die Performance und erhöht das Verletzungsrisiko.
Zusätzlich kann ein versteiftes Gewebe Energie weniger effizient speichern und abgeben, wodurch insbesondere dynamische Bewegungen erschwert werden. Auch nervliche Rückkoppelungen und Feedbackschleifen funktionieren nur noch eingeschränkt, die Motorik leidet.
Training: Tägliche Faszien-Pflege – so geht’s
So wie du tägliche Aufmerksamkeit an deine Zähne, Haare und Haut verschenkst, solltest du auch deinem faszialen Gewebe gegenüber großzügig sein. Gutes Faszien-Training beginnt zu allererst bei regelmäßiger Bewegung.
Das heißt: Auch im Büro öfter mal vom Stuhl aufstehen, kleine Wege des Alltags zu Fuß erledigen und, im Idealfall, Sport treiben! Dies dann aber mit Sinn und Verstand und unter Berücksichtigung aller Körperpartien – ständiges Brusttraining ohne vergleichbar intensives Rückentraining beispielsweise ist keine gute Idee.
Auch Mobility-Arbeit gehört in jedermanns Tagesroutine. 10 bis 15 Minuten sollten drin sei, das Internet bietet eine unerschöpfliche Quelle guter Anleitungen.
Insbesondere bei Sportlern beliebt:
- Der Foam Roller verwöhnt deine Faszien. Die Selbstmassage vor oder nach dem Training verbesserte die Flüssigkeitszirkulation und löst Verklebungen sanft auf. Ein Muss für deine Sporttasche!
- Ist es schon zu Verletzungen oder kleineren Blessuren gekommen, kann ein Kinesio Tape den Wiedereinstieg in das Training wesentlich erleichtern. Das Tape hebt die oberste Hautschicht leicht an und sorgt für ein geschmeidiges Gleiten der faszialen Gewebsschichten.
- Für Beschwerden rund um Gelenke, aus denen sich Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen ergeben, empfehlen wir die Anwendung von Floss Bändern unmittelbar vor dem Workout.